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Melle im 9. Jahrhundert: über die Silbergewinnung im einzig erhaltenen frühmittelalterlichen Metallbergwerk

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Silber war im frühen Mittelalter ausserordentlich kostbar, weil es so unglaublich teuer war, es dem Berg zu entreissen. In Melle, der einzigen erhaltenen Silbermine des Mittelalters, sehen wir uns an, wie dies geschah.

 

Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Melle. Wir befinden uns in der Zeit zwischen 814 und 840 nach Christus.

 

M-E-T-A-L-L-V-M: Metallum, das lesen wir auf der Rückseite dieses karolingischen Denars. Metallum ist Lateinisch und bedeutet nicht nur Metall und Erz, sondern auch Bergwerk.

 

Nur ein kleines bisschen anders, nämlich Metullum, nannten die Römer die Stadt, wo diese Münze geprägt und das Silber dafür gewonnen wurde. Metullum war ein karolingisches Industriezentrum, wo mit der modernsten damals bekannten Technik Silber gewonnen wurde.

 

Metullum heißt heute Melle und ist eine idyllische Gemeinde in der Nähe von Poitiers. Die meisten Einwohner verdienen ihr Geld in der Landwirtschaft. Nur selten kommen Touristen, um die prachtvollen Kirchen zu besichtigen, die einst für die unzähligen Jakobspilger gebaut wurden, die über die Via Turonensis nach Santiago di Compostela zogen.

Nur die wenigsten Besucher wissen, dass Melle noch über eine weit größere Attraktion verfügt. Hier kann man das einzige uns erhaltene Bergwerk des Frühmittelalters besuchen.

 

Das nennt man eine Geode. Es handelt sich um einen Hohlraum, der begrenzt wird durch eine einheitliche Gesteinsaußenschicht. Solche Geoden gab es viele in Metullum und um sie herum konzentrierte sich ein Erz, das Bergleute als Bleiglanz bezeichnen.

Bleiglanz ist ein Sulfid, das seinen Namen wegen seines hohen Bleigehalts trägt. Häufig enthält Bleiglanz zusätzlich Silber, doch in so geringer Menge, dass es sich mit den Techniken, wie sie die Griechen und Römer entwickelt hatten, nicht lohnte, das Erz abzubauen.

 

In karolingischer Zeit war das anders. Die Märkte verlangten nach den neuen Pfennigen mit dem Königsnamen. Ludwig der Fromme selbst garantiert auf dieser Münze mit seinem Porträt und seinem Namen für den Wert des Geldes. Sein Porträt mit dem Lorbeerkranz und der Andeutung des Feldherrenmantels um die Schulter erinnert stark an römische Vorbilder.

1,6 Gramm wiegt unsere Silbermünze. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein.

 

Doch um 2 Gramm Silber zu gewinnen, musste man ein Kilo Bleiglanz verarbeiten. Und um ein Kilo Bleiglanz zu erhalten, baute man durchschnittlich 100 Kilo Gestein ab. Eine gewaltige Leistung, wenn man daran denkt, dass dies alles von Hand geschah, ohne die technischen Hilfsmittel von heute.

 

Über einen senkrechten Schacht kletterten die Bergleute auf Leitern in die Tiefe. Dort legten sie ihre engen Stollen an, indem sie sorgfältig den Adern im Gestein folgten und so möglichst wenig taubes Erz abbauten.

 

Um sich die Arbeit ein wenig zu erleichtern, arbeiteten die Bergleute unter der Erde mit Feuer. Sie zündeten Holz in der Nähe des Felsens an, um ihn durch den Hitzeschock spröde zu machen. Wenn sie Glück hatten, sprang das Gestein und fiel in Brocken zu Boden. Wenn sie Pech hatten, geschah dies erst, wenn sie sich dem Felsen näherten.

 

Wie auch immer, um einen Kubikmeter Stein zu sprengen, brauchte es 1.140 Kilogramm Holz. Rechnen wir das um auf unsere 2 Gramm Silber: 95 Kilogramm Holz mussten verbrannt werden, um das dafür notwendige Gestein zu gewinnen.

 

Sobald sich die giftigen Dämpfe verzogen hatten, kamen die Bergleute in den Stollen zurück, lösten die spröden Erze von der Felswand und sortierten die herabgefallenen Brocken. Das taube Erz blieb unten in der Grube. Heute hat der Kalk im herabtropfenden Wasser die gigantischen Abraumhalden des Mittelalters zu einer schneeweißen Gebirgslandschaft verbacken.

 

Den Bleiglanz brachte man an die Oberfläche. Er wurde an der Klaubtafel verlesen und zerkleinert, ein Vorgang, bei dem auch Frauen mitwirkten. Mit Schlemmen trennte man das schwere, Metall führende Erz vom leichteren tauben Gestein.

 

Es folgte die Röstung über dem offenen Feuer.

 

Und erst dann wurde das so vorbereitete Erz im Treibherd in seine Bestandteile Silber und Blei getrennt. Das Verfahren beruhte auf dem Wissen, dass Blei einen wesentlich niedrigeren Schmelzpunkt hat als Silber. Außerdem ist Silber nur sehr schwer zu oxidieren, während unedle Metalle relativ leicht mit Blei Verbindungen eingehen. So war man in karolingischer Zeit durchaus fähig, durch die wiederholte Anwendung des so genannten Kupellationsprozesses Silber von 99,9 %iger Reinheit herzustellen.

 

Natürlich brauchte man dafür noch einmal Holz bzw. Holzkohle. Wie viele Bäume dafür gefällt werden mussten, das wissen wir nicht, aber es müssen unglaubliche Mengen gewesen sein.

 

Das Prägen der Münze, das in der Münzstätte von Melle erfolgte, war da nur ein kleiner Aufwand am Ende eines langen, mühseligen und teuren Prozesses. Diese Münze zeigt uns die Werkzeuge, die dafür notwendig waren: Ober- und Unterstempel sowie zwei Hämmer.

 

Ludwig der Fromme war der letzte Kaiser, der allein über das große Reich Karls des Großen herrschte. Danach spaltete es sich auf in West und Ost, in Frankreich und Deutschland. Doch in beiden wurde weiterhin der Denier bzw. der Pfennig geprägt. Das Münzsystem der Karolinger überdauerte die Jahrhunderte, bis es vom Dezimalsystem abgelöst wurde.

 

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