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Kein Aufstand im Römischen Reich?

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Soziale Gerechtigkeit

 

Kein Aufstand im Römischen Reich

 

Natürlich hat es Aufstände im römischen Reich gegeben. Man denke an den Aufstand der Bundesgenossen in Italien von 91 bis 88 v. Chr. oder an die ephesische Vesper 88 v. Chr. Damals brachten die Bewohner der Provinz Asia die römischen Steuerpächter zusammen mit 80.000 ihrer Landsleute um. Dann gab es natürlich auch die jüdischen Kriege. Sie waren geradezu unvermeidlich, weil hier unvereinbare Konzepte von Herrschaft und Imperium aufeinander prallten. Trotzdem, fast zweihundert Jahre lang – von 27 v. Chr. bis zur Ermordung Caracallas im Jahr 212 – herrschte im größten Teil des römischen Reichs Friede, und das trotz aller sozialen Unterschiede und dem Fehlen eines Sozialsystems im modernen Sinne.

 

Die römische Gesellschaft bestand aus einer Vielzahl von Schichten. Ganz oben standen die Ritter und Senatoren. Sie waren nur wenige und verfügten zum Teil über gigantische Einkommen. Sie stellten die Helfer des Kaisers, die Beamten, mit deren Hilfe die Zentralherrschaft ihre Macht durchsetzte.

Ganz unten finden wir das Heer von Sklaven, das mit seiner Arbeit die Gesellschaft am Laufen hielt.

Aber dazwischen gab es eine breite Mittelschicht, die für antike Verhältnisse vergleichbar gut lebte. Schließlich herrschte seit Augustus Friede im römischen Reich. Die Wirtschaft blühte und Arbeit waren gesucht. Ob römischer Bürger, nicht-römischer Reichsbewohner oder Freigelassener, die meisten Menschen verfügten über ein stabiles Einkommen, das ihnen und ihrer Familie einen mehr oder weniger bescheidenen Lebensunterhalt bot.

 

Ein entscheidendes Element für den sozialen Frieden war die Durchlässigkeit des Systems. Nicht in einer Generation, sondern auf zwei Generationen berechnet. Das Heer bot jedem Mann – und nur Männer zählten im römischen Reich – die Möglichkeit, sozial aufzusteigen. Seit Kaiser Claudius erhielt jeder Nicht-Römer, der bei den Hilfstruppen gedient hatte, nach seiner Dienstzeit für sich und seine Kinder das römische Bürgerrecht. Inhaber des römischen Bürgerrechts konnten ihrerseits in den Legionen Karriere machen. Vom gewöhnlichen Soldat zum Centurio. Vom Centurio zum Primus Pilus. Und ein Primus Pilus verdiente so viel, dass er in den Ritterstand aufsteigen mochte. Danach ging es noch weiter. Erfolgreiche Soldaten wurden vom Kaiser besonders gerne für hohe und höchste Verwaltungsposten herangezogen, da er sich ihrer Loyalität und Erfahrung sicher sein konnte.

 

Selbst ein Sklave durfte auf den sozialen Aufstieg hoffen. Er besaß ein eingeschränktes Recht, selbst Geld zu sparen, um sich freizukaufen. Wobei viele Sklavenbesitzer ihre unfreien Diener sowieso früher oder später freiließen. Damit wurde der Sklave zum Freigelassenen. Er war einem frei Geborenen nicht völlig gleich gestellt. Seine Söhne aber waren es.

 

Ein weiteres Element, das den inneren Frieden sicherte, war die Verantwortung, die Kaiser, Senatoren und Ritter für ihre Mitbürger übernahmen. Nicht nur in Rom, sondern auch in den Provinzen. Im ganzen Reich gab es ein Netz von Städten, die sich im Inneren selbst regierten. Jedenfalls so lange es keine Unruhen gab. Wenn die Oberschicht ohne kaiserliches Eingreifen agieren wollte, – und sie wollte – dann lag es in ihrem eigenen Interesse, Unruhen zu vermeiden. Sie tat es, indem sie augenfällig ihren Reichtum mit ihren schlechter gestellten Mitbürgern teilte.

 

Natürlich teilte niemand wirklich. Kein Reicher ruinierte sich durch zu große Wohltaten. Aber das, was er gab, zelebrierte er. Noch heute erzählen Inschriften und die Fundamente, auf denen einst prachtvolle Statuen standen, davon, wie sich die reichen Spender im Bewusstsein ihrer Mitmenschen verankerten. Sie wiederholten ständig, dass sie Getreide besorgt, Öl für das Gymnasium gegeben, eine Bibliothek errichtet oder die Spiele finanziert hatten.

Wenn die Stadt sich in der Prozession zu Ehren der Götter selbst feierte, dann führten diejenigen, die für die Opfertiere bezahlten, selbstverständlich den Umzug an.

Überall lasen die Einwohner einer Stadt, wer wie viel für die Allgemeinheit gegeben hatte. So bekam der Reichtum der Reichen einen Sinn. Nicht der Besitz von Geld und Gut war das Statussymbol, sondern wie viel von diesem Geld der Allgemeinheit geschenkt worden war.

 

Nehmen wir noch ein drittes Element dazu, das den Frieden sicherte: die Bereitschaft des Kaisers in echten Notfällen finanziell einzugreifen und zu helfen. Natürlich gab es auch während der Kaiserzeit Naturkatastrophen. Denken wir an das Erdbeben im Jahr 17 n. Chr., das dreizehn kleinasiatische Städte vernichtete. Der Kaiser selbst half in solchen Fällen finanziell und organisatorisch beim Wiederaufbau. Dafür dass Tiberius den vom Erdbeben Geschädigten geholfen hat, zeugen Münzen. Sie verkündeten mit ihrer Aufschrift civitatibus Asiae restitutis im ganzen Reich, wie sehr der Kaiser geholfen hatte.

Oder die vielen regional begrenzten Kornknappheiten. Um Hunger zu vermeiden, setzten die Städte eigene Beamte ein, die dafür zuständig waren, in so einem Fall Getreide andernorts zu kaufen, um es gratis oder stark verbilligt an die hungernde Bevölkerung zu verteilen. In Rom gab es dafür eine ständige Behörde mit dem Praefectus annonae an der Spitze. Seine Leistungen im Namen des Kaisers sind auf zahlreichen Münzen zu sehen.

 

Ein gesicherter Lebensunterhalt, die Möglichkeit für die eigenen Kinder bis ganz nach oben aufzusteigen und die Sicherheit, dass im Fall einer echten Katastrophe der Kaiser als gütiger Patriarch eingreifen und Hilfe bringen werde, all das ließ die Menschen daran glauben, dass sie in einer wunderbaren Zeit lebten. Und dass andere reicher waren als sie, das war gut, denn nur der Reiche konnte aus seinem Überfluss Gaben schenken.

 

Die Wut auf Heuschrecken und Bonzen, die unsere Neidgesellschaft heute beherrscht, hatte in diesem Konzept von Reichtum keinen Platz.

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