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Streit um Jülich: Wie der Burgkommandant Johann von Reuschenberg sein Tafelsilber zerhackt als Sold für die Soldaten – Vorwehen des Dreißigjährigen Krieges (1610 n. Chr.)

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Was braucht man zum Kriegsführen? Ganz einfach. Drei Dinge. Geld, Geld, und nochmals Geld. Und wenn kein Geld mehr da ist, dann nimmt man halt Silbergeschirr wie 1610 in Jülich.


 

Begleiten Sie uns auf unserer Reise durch die Welt des Geldes. Heute machen wir Halt in Jülich. Wir befinden uns im Jahr 1610 nach Christus.

 

Ich gebe zu, diese Münze hat nun wirklich eine sehr merkwürdige Form. Das ist allerdings kein Wunder, denn das Stück Silber, aus dem dieses Zahlungsmittel hergestellt wurde, hatte ursprünglich eine ganz andere Funktion. Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie den Griff eines silbernen Gefäßes. Und daraus machte man im Sommer des Jahres 1610 eine Münze. Wer das tat und warum, das erzähle ich Ihnen heute.

 

Gehen wir dafür zurück an den Anfang des 17. Jahrhunderts. Damals wusste jeder, der über eine rudimentäre politische Bildung verfügte, dass im Jahr 1621 ein schrecklicher Krieg ausbrechen würde. In diesem Jahr lief nämlich der Friedensvertrag zwischen den reformierten Generalstaaten und den katholischen Habsburgern aus. Beide Parteien wollten die Niederlande unter ihre Kontrolle bekommen. Entscheidend für einen Sieg war die Kontrolle des Rheins. Die Spanier planten, auf diesem Weg ihren Nachschub an die Front zu bringen. Die Niederländer beabsichtigten, genau das zu verhindern.

 

Deshalb wurde es zu einem Politikum, als am 25. März des Jahres 1609 der letzte Herzog von Jülich-Kleve-Berg starb. Wer dieses Herzogtum regierte, kontrollierte ein entscheidendes Stück des Rhein. Wer würde also die Nachfolge antreten? Ein Katholik, der den Spaniern wohlgesonnen war? Oder ein Protestant mit Sympathien für die Niederlande? Gemäß der Verfassung des Römisch-Deutschen Reichs konnte nur einer diese Entscheidung treffen:

 

Kaiser, Rudolf II, und der war natürlich ein katholischer Habsburger. Kein Wunder, dass die Protestanten unter den Erben fürchteten, der Kaiser werde aus Loyalität zu seinen spanischen Verwandten zu Gunsten ihrer katholischen Gegner entscheiden.

 

Deshalb einigten sich die Protestanten, Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg und Johann Sigismund von Brandenburg, das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg erst einmal gemeinsam zu erobern. Über die Aufteilung konnte man sich später noch streiten. Das war zwar ein klarer Rechtsbruch, der aber den Gegnern der Habsburger durchaus in den Kram passte.

 

So schickte nicht nur die protestantische Union Soldaten, sondern auch Jakob von England und Moritz von Oranien.

 

Ein Heer von 30.000 Mann setzte sich in Marsch, um das strategisch günstig gelegene Jülich zu erobern. Dessen Befestigungswerke gehörten damals zu den modernsten Europas. Kommandant war Johann von Reuschenberg, ein kleines Rädchen im Getriebe der militärischen Verwaltung des Herzogtums. Doch dieser Mann weigerte sich, den Rechtsbruch zu akzeptieren. Verfassungsgemäß wartete er auf eine Entscheidung des Kaisers und ließ sich mit seinen vielleicht 800 Mann in der Festung Jülich einschließen.

 

Dort war er relativ sicher, jedenfalls so lange er sich auf die Treue seiner Soldaten verlassen konnte. Und existentiell für den Erhalt dieser Treue war die regelmäßige Zahlung des Solds. Als der nun ins Stocken zu geraten drohte, opferte Johann von Reuschenberg sein Tafelsilber.

 

In diese Zeit gehört unsere merkwürdige Münze. Der Kommandant ließ sein Geschirr in abgewogene Stücke zerschlagen, um seine Soldaten zu bezahlen. Damit diese Silberstücke im Zahlungsverkehr benutzt werden konnten, wurden sie von einem Silberschmied mit Aufschrift und Wertzeichen versehen.

 

Der zentrale Stempel zeigt die Jahreszahl 1610 mit der Inschrift I V R. Was letzteres bedeutet, darüber kann man streiten. Die drei Buchstaben könnten für den Namen des Kommandanten stehen – Johann von Reuschenberg – aber auch für das Lateinische Vivat Imperator Rudolphus – Es lebe Kaiser Rudolf.

 

Wie auch immer, links und rechts davon ist der Wert des Geldstücks eingepunzt: Eine V und eine III. Dieser gestempelte Gefäßgriff war also 8 Taler wert.

 

Es gab natürlich auch andere Nominale. So zum Beispiel dieses 4 Taler-Stück, das wahrscheinlich einst Teil eines Silbertellers war.

 

Oder dieses 1 Taler-Stück, das ursprünglich als Daumenrast eines Bierhumpendeckels gedient haben mag oder als Endstück eines Löffels.

 

Es war damals übrigens gar nicht so unüblich, Silbergeschirr zu benutzen, um finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Tafelsilber wurde als eine Art Vermögen betrachtet, das im Bedarfsfall eingeschmolzen und ausgeprägt werden konnte. Die aufwändige Arbeit, die ein Silberschmied investiert hatte, zählte gegenüber dem Material wenig. Für die Schaffhauser Zunft zun Rebleuten, deren Pokal aus dem Jahr 1579 wir hier sehen, war dieses prachtvolle Stück kein Kunstwerk wie für uns, sondern eine Art Sparbuch, das man in einer Notlage in Bargeld umwandeln konnte.

 

Wie auch immer, am 1. September 1610 musste Johann von Reuschenberg die Feste Jülich übergeben. Doch damit war der Streit um die Nachfolge im Herzogtum noch nicht geschlichtet.

 

Das war er im Grunde auch noch nicht, als 1618 mit dem Prager Fenstersturz der große Krieg ausbrach, mit dem zu diesem Zeitpunkt kaum einer rechnete.

 

Endgültig geklärt wurde der Erbstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg erst im Jahr 1666, als bereits die Enkel der Fürsten herrschten, die im Jahr 1609 ihre Erbansprüche angemeldet hatten.

 

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